Praxis |
für
Lerntherapie |
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Christoph Melichar |
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Diplompsychologe und
Lerntherapeut |
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Dyskalkulie |
Als
Dyskalkulie werden auffallende tiefgreifende Beeinträchtigungen der
Rechenfertigkeiten bei einem in anderen Intelligenzbereichen (über-)
durchschnittlich begabten Menschen bezeichnet. Die Schwierigkeiten zeigen
sich immer schon bei den Grundrechenarten, also bei Additions-,
Subtraktions-, Multiplikations- und Divisionsaufgaben. Für
das Entstehen einer Dyskalkulie gibt es verschiedene Ursachen - wie ein mangelndes
Mengenverständnis, ein gering ausgeprägtes räumliches Vorstellungsvermögen,
ein eingeschränktes Arbeitsgedächtnis, Probleme bei der Aufnahme von
sprachlichen Informationen oder Schwierigkeiten bei der Wissensverknüpfung. Daraus
resultieren individuell unterschiedliche Erscheinungsweisen der Dyskalkulie.
Betroffene Schüler sind sehr oft zählende Rechner. Es dauert meistens sehr
lange, bis die Zerlegungsmöglichkeiten der Zahlen im Zahlenraum bis Zehn
(z.B. 10 = 2 + ?) gelernt sind, und das Kind hat Schwierigkeiten,
Mengen miteinander zu vergleichen. Die Erweiterung des Zahlenraumes mit der
Einführung zwei- und mehrstelliger Zahlen überfordert die Betroffenen
zusätzlich, da sie nun die Bündelung von 10ern und 100ern verstehen und beim
Rechnen über die 10er- beziehungsweise 100er-Grenze auf automatisierte
Zahlzerlegungen zurückgreifen müssen. Sind diese Grundlagen nicht gelegt, ist
das Kind sehr schnell mit seiner Verarbeitungskapazität überlastet.
Rechenschemata werden oberflächlich – ohne Verständnis der beabsichtigten
Mengengliederung – imitiert und dementsprechend leicht miteinander
verwechselt oder durcheinandergebracht. Dyskalkuliebetroffene
ziehen schriftliche Rechenverfahren oft dem Kopfrechnen vor und können dann
das Rechenergebnis nicht überprüfen. Ein Teil der rechenschwachen Schüler hat
trotz eines großen Lernaufwandes Schwierigkeiten, das Einmaleins länger zu
behalten. Für viele Betroffene ist das Übersetzen von Sachaufgaben in
Rechenoperationen mit erheblichen Problemen verbunden. Diagnostik:
Die Diagnostik hat einerseits die Funktion, den mathematischen Fertigkeitenstand in Bezug auf die Leistungen in der
entsprechenden Klassenstufe und in Bezug zur sonstigen intellektuellen
Begabung des Kindes zu bestimmen, damit die Dyskalkulie in der Schule Anerkennung
findet und Nachteilsausgleich gewährleistet werden kann. Für
die Arbeit mit dem Kind in der lerntherapeutischen Arbeit ist es allerdings
wichtiger, zu erkennen, auf welche Weise, mit welchen Strategien das Kind
Aufgaben löst und welche mathematischen Grundlagen einem Kind geläufig sind.
Dafür werden verschiedene Anforderungen isoliert abgefragt und das Kind zum
lauten Denken aufgefordert. Bei
speziellen Schwierigkeiten können zusätzlich kognitive Stützfunktionen wie
Konzentration, Aufmerksamkeitsspanne, Gedächtnis und sprachliche Fähigkeiten
überprüft werden. Förderung:
Ausgehend von einer kontinuierlichen Fehleranalyse wird schwerpunktmäßig an
konkreten Lernzielen gearbeitet. Es wird Wert darauf gelegt, die
Schwierigkeiten zu isolieren, um sie schrittweise zu bewältigen. So wird
Faktenwissen – z.B. die Aufgaben des Einmaleins – in einer Lernsituation
geübt, prozedurales Wissen – z.B. das halbschriftliche Multiplizieren – in
einer anderen Lernsituation, in der dem Schüler gegebenenfalls benötigtes
Faktenwissen vom Lerntherapeuten als „sprechendem Taschenrechner“ zur
Verfügung gestellt wird. Beim
Erarbeiten von Lösungsschritten wird genau geschaut, welche Form von Veranschaulichungen dem Kind am besten hilft, ihm
Verstehen ermöglicht und selbständig – real hantierend, visualisierend oder
in der Vorstellung – angewendet werden kann. Auf Motivation,
z.B. durch passende Lernspiele, sowie auf Konzentrationsförderung und
gedächtnispsychologisch sinnvolles Arbeiten wird besonderer Wert gelegt. In
der Lerntherapie steht das Verstehen und sichere Anwenden der grundlegenden
Rechenoperationen im Vordergrund. Dies schließt nicht aus, dass das Thema des
aktuellen schulischen Mathematikunterrichts auf einer begreifbaren Stufe, mit
überschaubarem Zahlenmaterial erarbeitet und geübt wird. |
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